Kapital gegen Inflation absichern – schützt Gold? (Teil 2)
Erschienen im Standard, am 29. August 2022
Wie Wertverluste entstehen und welche Maßnahmen dagegen gesetzt werden können
Bei jedem Vermögenswert, in den investiert werden soll, müssen zwei Entscheidungen getroffen werden: Möchte ich in diesen Vermögenswert investieren? Will ich Währungsrisiken absichern oder nicht? Im vorhergehenden Artikel befassten wir uns mit der Frage, ob man in einen Vermögenswert wie Gold investieren sollte. Mit der zweiten aufgezeigten Frage (Währungen) verbringen wir meist nicht genug Zeit darüber nachzudenken. Es soll in diesem Artikel die Frage nach potenziellen Währungsrisiken behandelt werden. Einige Leser fragten mich nach Erscheinen des ersten Artikels, was konkret zu tun sei. Nun, diese Frage ist immer den persönlichen Umständen, der derzeitigen Lage an den Märkten, vorhandenen Vermögenswerten und dem jeweiligen Währungsraum, in welchen man sich befindet, geschuldet. Private als auch institutionelle Anleger verloren aufgrund von Währungsrisiken immer wieder enorme Vermögen. Zu sehen wie sehr wohlhabende und fähige Menschen alles verloren, hinterließ einen bleibenden Eindruck bei mir.
Währungsrisiken verstehen
Währungsrisiken sind eines der Dinge, wo Anleger häufig Fehler und Risiken der Geldanlage begehen, ohne sich darüber überhaupt bewusst zu sein und sich erst Jahre später Fragen, was den eigentlich schiefgelaufen ist (ähnlich wie nach jahrelang schlecht gelaufenen Lebensversicherungen). Die meisten privaten als auch institutionellen Anleger sind sich nicht bewusst, dass jedes Mal, wenn Sie in einen Vermögenswert investieren, sie auch darüber eine Entscheidung treffen, ob Sie die jeweiligen Währungsrisiken eingehen sollten oder nicht. Während meiner Zeit in Finanzinstitutionen konnte ich immer wieder hautnah beobachten, wie sich Unternehmen und private Anleger aufgrund günstiger Zinsen in Fremdwährungen Kapital liehen, um in anderen Währungsräumen Investitionen zu tätigen. Häufig war ihnen nicht klar, dass sie dadurch darauf setzten, dass die jeweiligen Fremdwährungen, in denen sie ihre Schulden zurückzahlen mussten, nicht steigen durften (man hat eine Short-Position, in der jeweiligen Währung, welche man sich leiht). Als die Fremdwährungen dann gegenüber dem Euro anstiegen und die Gewinne aus den Unternehmen, die in Euro erzielt wurden, zur Schuldenbegleichung nicht mehr ausreichten, gerieten die Unternehmen in ernsthafte Schwierigkeiten oder verschwanden gänzlich vom Markt. Dies sind enorm wertvolle Erfahrungen, aus welchen jeder seine Schlüsse ziehen sollte.
Inflationsschutz von Anlageklassen in ihrer Währung
Im vorhergehenden Artikel, wurde beschrieben, dass Gold unter bestimmten Bedingungen einen Schutz vor Inflation bieten kann. Die Argumente stützen sich jedoch häufig lediglich auf eine Korrelation zwischen Aktien und US-Dollar (der Dollar ist global akzeptierte Leitwährung) und werden dann einfach auf andere Regionen und Währungen „umgemünzt“.
Dasselbe Problem besteht in diesem Zusammenhang mit Gold. Als ich in der Schweiz lebte, war Gold in wirtschaftlichen Krisen ein viel geringerer sicherer Hafen als Gold für Anleger im restlichen Europa. Dies aufgrund dessen, da der Schweizer Franken eine sichere Hafenwährung ist. Das bedeutet, dass der Franken in Krisenzeiten zu steigen beginnt, während der Euro dies nicht tut. Demzufolge kann Gold in Zeiten wirtschaftlicher Abschwünge in US-Dollar steigen, aber es tut dies viel weniger in Schweizer Franken, da der Franken gegenüber dem Dollar aufwertet und so einen Teil der Gewinne des Franken wegnimmt, die Gold in US-Dollar zu verzeichnen hat. Für Goldanleger in der Schweiz ist es daher besser, in Schweizer Franken abgesichertes Gold zu halten, um die Eigenschaften des Goldes als sicherer Hafen voll auszuschöpfen zu können. In anderen Währungsräumen sieht es wieder ganz anders aus. Grundsätzliche Frage dabei ist, inwiefern eine Währung in einer Krise dazu neigt aufzuwerten und, ob eine Gold-Rally dann in der jeweiligen Heimatwährung übersetzt.
Betrachtet man hingegen die Korrelation von Aktienmärkten mit Gold in lokalen Währungen, so beobachtet man ebenso bemerkenswerte Gegebenheiten. So zeigt sich in Venezuela die höchste Korrelation zu Gold. Dies liegt an den enorm hohen Inflationsraten des Landes, die zu einer Abwertung der lokalen venezolanischen Währung und zu einer enormen Aufwertung von Gold in der lokalen Währung führten. Eine ähnliche Entwicklung und Bedeutung von Gold als sicherer Vermögensspeicher zeigte sich erst kürzlich in der Türkei.
Hat Gold im Wesentlichen eine Korrelation von Null und weniger mit dem lokalen Aktienmarkt, dann bietet es eine ziemlich gute Diversifikation für die Geldanlage (im Falle von Abschwüngen an den Finanz- und Kapitalmärkten bietet es Stabilität). Dies trifft auf viele Länder der Eurozone, Norwegen und Australien zu. Gold weist in diesen Ländern eine eindeutig negative Korrelation mit dem lokalen Aktienmarkt auf und bietet daher hervorragende Schutzqualitäten für die Anleger in Zeiten von Krisen.
Investment-Lektionen
Diese Ausführungen zeigen, dass Anleger damals wie heute mehr oder weniger blind fliegen. Menschen nehmen die schiere Menge an Informationen, die Investoren heute zur Verfügung stehen, als selbstverständlich hin. Diese Informationen können hilfreich sein, um Erwartungen und Ausgangswerte festzulegen. Aber Sie können historische Daten nicht verwenden, um die Zukunft mit 100-prozentiger Sicherheit vorherzusagen. Es wird zumeist zu sehr auf die Details geachtet und nicht auf das Gesamtbild – „es soll der Wald vor lauter Bäumen nicht übersehen werden“. Auf den Märkten passieren ständig Dinge, die noch nie zuvor passiert sind. Sachwerte sind im historischen Kontext für Anleger ohne Alternative, gesetzt dem Umstand, dass Vermögenswerte langfristig investiert und sie ihr Vermögen zumindest erhalten wollen. Und hierzu zählen neben Gold vor allem Aktien. Aktien bieten als Anlageklasse die Möglichkeit auf entsprechende Renditen, um die jährlichen Kaufkraftverluste auf lange Sicht zu schlagen. Ob Sie Gold als Inflationsschutz oder als Schutz vor Stagflation oder wirtschaftlichen Abschwüngen mögen, entscheide somit nicht ich, aber ich sage, was die meisten Anleger und Menschen vergessen, dass Sie bei jedem Vermögenswert, in den Sie investieren, zwei Entscheidungen zu treffen haben:
- Möchte ich in der jeweiligen Anlageklasse investiert sein?
- Will ich mich gegen Währungsrisiken absichern oder nicht?
Meiner Erfahrung nach verstehen Anleger erstere Frage und treffen Entscheidung darüber, jedoch verbringen sie nicht genug Zeit damit, über die zweite Entscheidung nachzudenken oder sind sich darüber erst gar nicht bewusst.