Die Krux der Lebens-versicherungen
Erschienen im Standard, am 15. Februar 2022

Neuerdings bewerben Versicherungsgesellschaften wieder lauthals neue Lebensversicherungsprodukte. Auf derzeitige und vergangene Missstände, hohe Kosten, intransparente Gebühren, lange Laufzeiten und dass Versicherungsnehmer nur mit hohen Abschlägen wieder aus den Verträgen hinaus kommen, werden die Kunden jedoch lediglich kleinlaut hingewiesen. Gerade das wollen verständlicherweise viele Konsumenten nach einigen Jahren aufgrund der mangelnden oder negativen Erträge dieser Produkte. Dies zieht bereits so weite Kreise, dass eigene Gesellschaften gegründet werden, um den Versicherungsnehmern zu ihrem Recht zu verhelfen – gegen Erfolgsbeteiligung. Sowohl klassische als auch fondsgebundene Lebensversicherungen haben, neben geförderten Pensionsvorsorgen, zunehmend Versicherungsnehmer enttäuscht. Auf hochtrabende Versprechungen, folgen zumeist zermürbende Ergebnisse. Hinzu kommt, dass die Versicherer enorme Probleme haben, ordentliche Erträge zu erwirtschaften. Verantwortlich dafür ist jedoch nicht nur das niedrige Zinsniveau.

Konsumenten bleiben auf der Strecke

Lange Zeit erfreuten sich Lebensversicherungen hoher Beliebtheit. Sei es als Tilgungsträger für die Rückzahlung von Fremdwährungskrediten (aufgrund enttäuschender Resultate für die Kreditnehmer gesetzlich kaum mehr erlaubt) oder für den Vermögensaufbau und die Kapitalbindung. Die mangelnden Leistungen und Renditen dieser Versicherungen führten dazu, dass immer mehr Konsumenten aus diesen Versicherungen aussteigen wollten. Die intransparente Gestaltung dieser Produkte und damit verbundene hohe Kosten sind im Wesentlichen, neben den derzeit niedrigen Zinsen, für die mangelnden Erträge von Lebensversicherungen verantwortlich. Fondsgebundene Lebensversicherungen, welche derzeit Zuwächse erzielen, stellen eine Alternative zu den klassischen Lebensversicherungen dar. Jedoch sind diese nicht das Allheilmittel, da auch hier die Nebenkosten die Rendite enorm schmälern und die Versicherungen den Versicherungsnehmern hohe Gebühren aufbürden. Zumeist erzielen auch diese Renditen unterhalb der jährlichen Preissteigerungen (Inflation) oder mitunter auch unterhalb dessen. Da die Verträge von Lebensversicherungen jahrzehntelang laufen, macht es dies für die Konsumenten nicht einfacher. Darüber kann die steuerliche Begünstigung (bei Einzahlung fällt eine ertragsunabhängige Versicherungssteuer an) nicht hinwegtäuschen, zumal aufgrund der Steuerreform von 2016 neu abgeschlossene Versicherungen nicht mehr absetzbar sind und sich die Stimmen mehren, welche ohnehin einen Entfall der Kapitalertragsteuer von Wertpapieren bei einer Haltedauer von über ein Jahr befürworten. Für Anleger und Konsumenten sind Lebensversicherungen häufig schwer zu durchschauen. Hohe kaum beachtete und nicht transparent ausgewiesene Kosten und (teurere) Produkte innerhalb der abgeschlossenen Versicherungen, welche überdies häufig unterdurchschnittliche Erträge erzielen, werden da leicht übersehen. So werden in der Regel zwischen 4 und 11 Prozent an Steuern fällig. Verwaltungskosten liegen zwischen 2 Prozent auf jährlicher Basis oder 6 bis 8 Prozent bei monatlicher Prämienzahlung. Die Abschlusskosten betragen das 1 bis 1,5 fache der Jahresprämie und ebenso fallen Gebühren für den Risikoanteil an. Hinzu kommen Inkassokosten für die Einhebung der laufenden Prämien, Mehraufwendungen, wie das Ausstellen einer Ersatzpolizze oder Mahnungen. Dazu kommt, dass die Versicherung zumeist auf teure Veranlagungsprodukte setzen, welche darüber hinaus noch schlechtere Renditen als kostengünstigere Alternativen liefern (häufig fließen hier im Hintergrund Bestandsprovisionen). Diese können wieder einige Prozentpunkte an Kosten verursachen. Leider merken dies die Konsumenten erst viel zu spät und Jahre später wollen sie aus diesen Verträgen aussteigen (sofern Versicherungsnehmer überhaupt die einbezahlten Prämien inkl. Steuer den derzeitigen tatsächlichen Werten der Vermögenswerte gegenüberstellen). Dies veranlasst verständlicherweise viele Versicherungsnehmer eine vorzeitige Kündigung in Erwägung zu ziehen.

Den Kopf aus der Schlinge ziehen

Dreh- und Angelpunkt ist dabei der „Rückkaufwert“, den man im Regelfall bei einer Vertrags-kündigung (Rückkauf) erhält. Dieser ist zumeist das eingezahlte Kapital plus Kapitalerträge abzüglich eines etwaigen vertraglich festgelegten Abschlags. Dieser Abschlag kann mitunter erheblich sein. Dennoch kann es aufgrund der mangelnden unterdurchschnittlichen Erträge für die Versicherungsnehmer von Vorteil sein Verträge lange nach Vertragsabschluss aufzulösen, da durch die Rechtsprechung des EuGH, aufgrund fehlerhafter Rücktrittsbelehrungen ein Spätrücktritt häufig möglich ist. Viele Versicherungsnehmer können dann bei der Rückabwicklung einen höheren Auszahlungsbetrag als den Rückkaufwert erhalten, nämlich weitgehend die eingezahlten Prämien mit anteiligen Zinsen, falls diese nicht verjährt sind.

Eine Rückabwicklung von Lebensversicherungen, die zwischen dem 01.01.1994 und dem 31.12.2015 abgeschlossen wurden, ist möglich. Laut AK Ökonom Mag. Christian Prantner, erfolgte die Umsetzung eines EuGH Urteils im Zuge einer gesetzlichen Novelle am 1.01.2019 zugunsten der Versicherungsgesellschaften, sodass nach wie vor eine rechtliche Unsicherheit bei neuen als auch alten geschlossenen Versicherungsverträgen besteht. Die Rechtsfolgen des Spätrücktritts in Österreich sind für viele tausende VersicherungskundInnen somit weiterhin offen und wahrscheinlich sind Ansprüche nur gerichtlich durchzusetzen. Einer erst kürzlich ergangenen Entscheidung des OGH kann entnommen werden, dass ein wichtiger Aspekt im Sinne der Versicherungsnehmer entschieden wurde. Diese klärt wichtige offene Fragen des Spätrücktritts bei Veranlagungsverlusten von fonds- oder indexgebundenen Lebensversicherungen. Demnach kann der Spätrücktritt für den Versicherungsnehmer sinnhaft sein, da im Falle etwaiger Veranlagungsverluste der OGH das Veranlagungsrisiko dem Versicherer zuweist. Laut OGH Urteil muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer jedoch nicht die Risikoprämie und die Versicherungssteuer erstatten.

Laut Frau Mag. Rupprecht aus der Abteilung Konsumentenpolitik der AK werden die KonsumentInnen generell beim Abschluss von Lebensversicherungen oft nicht ausreichend über die Produkteigenschaften und die nachteiligen finanziellen Auswirkungen einer vorzeitigen Kündigung vor Laufzeitende aufgeklärt, die in Form von hohen Abschlägen den Rückkaufswert verringern. Provisionsgetriebener Vertrieb, bei dem Versicherungen nicht gekauft, sondern verkauft werden, ist eine der Ursachen für den Abschluss von ungeeigneten Produkten mit zu langen Laufzeiten. Wenn dann einige Jahre später große Anschaffungen anstehen, ist es oft notwendig bestehende Lebensversicherungen vorzeitig aufzulösen. KundInnen berichten in der AK-Konsumentenberatung, dass sie oft zu wenig über die hohen Kosten von diesen Produkten informiert wurden und wundern sich daher, dass anders als etwa bei einem Sparbuch eingezahlte 100 Euro nicht wieder voll ausbezahlt werden.

Die wenigsten Anleger und Konsumenten sind sich klar darüber, dass aufgrund mangelnder Erträge von Versicherungen, eines vorherrschenden niedrigen Zinsniveaus und unzureichender Produkte und hoher Kosten und Gebühren Versicherungen nicht immer die Resultate erzielen, welche sich Anleger wünschen. Die bestehende rechtliche Unsicherheit, mangelnde Transparenz, provisionsgetriebener Verkauf und kaum existente Unabhängigkeitserfordernisse tragen das Ihre dazu bei.