Die häufigsten Anlagefehler
Erschienen im Standard, am 4. Juni 2024
Sieben Fallen beim Investieren mit Beispielen und Lösungsansätzen zur Vermeidung
Im Gastblog illustriert Vermögensverwalter Bernhard Führer sieben Anlagefehler, die auch erfahrene Anleger bei der Veranlagung vermeiden sollten.
Investieren ist eine Kunst, die selbst erfahrene Anleger vor Herausforderungen stellt. Während ich in früheren Artikeln bereits grundlegende Anlagefehler behandelt haben, möchte ich mich heute auf weniger offensichtliche, aber ebenso wichtige Aspekte konzentrieren, und gleichzeitig Lösungsansätze aufzeigen.
Vernachlässigung der Makroökonomie
Viele Anleger konzentrieren sich ausschließlich auf einzelne Unternehmen oder Sektoren, ohne das größere wirtschaftliche Bild zu berücksichtigen. Makroökonomische Faktoren wie Zinssätze, Inflation und geopolitische Ereignisse können jedoch erhebliche Auswirkungen auf Ihre Investitionen haben. Ein konkretes Beispiel: Eine Rentnerin hält ihr Vermögen ausschließlich in Bankaktien, da sie in der Vergangenheit davon profitiert hat. Sie berücksichtigt jedoch nicht, dass Banken besonders empfindlich auf Zinsänderungen reagieren.
Lösungsansatz: Entwickeln Sie ein Verständnis für makroökonomische Indikatoren und deren Einfluss auf verschiedene Anlageklassen. So reagiert die Anlageklasse der Rohstoffe beispielsweise auf Inflation. Eine hohe Inflation führt tendenziell zu steigenden Rohstoffpreisen. Nutzen Sie diese Erkenntnisse, um Ihr Portfolio entsprechend anzupassen.
Überbewertung von Dividenden
Dividendenaktien sind beliebt, aber einige Anleger konzentrieren sich zu stark auf die Dividendenrendite und vernachlässigen dabei andere wichtige Faktoren wie Wachstumspotenzial und finanzielle Stabilität des Unternehmens. Ein konkretes Beispiel: Ein junger Anleger investiert einen Großteil seines Ersparten in Aktien von Ölkonzernen, da diese aktuell sehr hohe Dividenden bieten. Er berücksichtigt aber nicht ausreichend die Risiken der Branche im Zuge der Energiewende.
Lösungsansatz: Betrachten Sie Dividenden als einen Aspekt unter vielen. Analysieren Sie das Gesamtbild eines Unternehmens, einschließlich seiner Wachstumsaussichten und Bilanzstärke.
Vernachlässigung von Währungsrisiken
Bei internationalen Investitionen übersehen viele Anleger die Auswirkungen von Wechselkursschwankungen auf ihre Renditen. Ein konkretes Beispiel: Ein deutscher Anleger investiert in US-amerikanische Aktien, ohne die möglichen Auswirkungen von Schwankungen zwischen Euro und US-Dollar zu berücksichtigen. Bei einer Aufwertung des Euro verliert er durch den Währungsverlust einen Teil seiner Rendite.
Lösungsansatz: Berücksichtigen Sie Währungsrisiken in Ihrer Anlagestrategie. Erwägen Sie Währungsabsicherungen oder diversifizieren Sie über verschiedene Währungsräume hinweg. Währungsabsicherungen sind mittels Derivaten, wie beispielsweise Futures, möglich.
Überschätzung der eigenen Fähigkeiten
Der Dunning-Kruger-Effekt führt dazu, dass unerfahrene Anleger ihre Fähigkeiten oft überschätzen, während erfahrene Anleger eher zur Unterschätzung neigen. Ein konkretes Beispiel: Ein junger Anleger, der gerade Überlegungen zur Geldanlage anstellt, ist überzeugt, dass er durch sein Bauchgefühl und ein paar Tipps aus Wirtschaftsforen die Aktienmärkte schlagen kann. Er unterschätzt die Komplexität der Finanzmärkte.
Lösungsansatz: Bleiben Sie selbstkritisch und offen für neues Wissen. Nutzen Sie dafür unterschiedlichste unabhängige Quellen, wie aktuelle Studien oder Fachpublikationen. Reflektieren Sie regelmäßig Ihre Anlageerfolge und -misserfolge, um daraus zu lernen.
Vernachlässigung von Nachhaltigkeitskriterien
In einer Zeit, in der ESG-Faktoren (Environmental, Social, Governance) zunehmend an Bedeutung gewinnen, kann die Nichtberücksichtigung dieser Aspekte langfristig zu Renditeeinbußen führen. Ein konkretes Beispiel: Es wird in Aktien beziehungsweise Unternehmen investiert, welche nichts gegen Umweltverschmutzung oder Verstößen gegen Arbeitsrechte tun. Langfristig könnten Strafen, Reputationsschäden oder Regulierungsänderungen die Rendite belasten.
Lösungsansatz: Informieren Sie sich über ESG-Kriterien und berücksichtigen Sie diese bei Ihrem Anlageprozess. Damit inkludieren Sie ethische Aspekte und reduzieren finanzielle Risiken.
Overengineering des Portfolios
Einige Anleger neigen dazu, ihr Portfolio unnötig komplex zu gestalten, in der Hoffnung, dadurch bessere Renditen zu erzielen. Ein konkretes Beispiel: Ein Privatinvestor hält eine Vielzahl von Krypto-Währungen in der Hoffnung, die besten Performer zu identifizieren, anstatt in einen breit diversifizierten Krypto-Index zu investieren.
Lösungsansatz: Streben Sie nach Einfachheit und Transparenz in Ihrem Portfolio. Oft kann ein gut durchdachtes, einfaches Portfolio bessere Ergebnisse liefern als ein überkompliziertes.
Vernachlässigung der Rebalancing-Strategie
Regelmäßiges Rebalancing (Neuausrichtung der Anlageklassen im Portfolio) ist entscheidend, um die gewünschte Asset-Allokation (Verteilung der Anlageklassen) beizubehalten, wird aber oft vernachlässigt. Ein konkretes Beispiel: Ein Anleger lässt sein Portfolio über mehrere Jahre unverändert, obwohl Aktien deutlich an Wert gewonnen haben, während Anleihen an Bedeutung verloren haben. Dadurch ist die angestrebte Risikostreuung nicht mehr gegeben.
Lösungsansatz: Implementieren Sie eine systematische Rebalancing-Strategie und halten Sie sich daran. Dies hilft, Risiken zu kontrollieren und kann sogar zusätzliche Renditen generieren.
Fazit
Indem Sie diese weniger offensichtlichen Anlagefehler vermeiden, können Sie Ihre Anlagestrategie weiter verfeinern und potenziell bessere Ergebnisse erzielen. Denken Sie daran, dass erfolgreiches Investieren ein kontinuierlicher Lernprozess ist. Bleiben Sie neugierig, selbstkritisch und offen für neue Erkenntnisse. So können Sie Ihre Fähigkeiten als Anleger stetig verbessern und langfristig erfolgreich sein. (Bernhard Führer, 4.7.2024)
Bernhard Führer ist Gründer und Leiter der unabhängigen Vermögensplanungsgesellschaft Strategy & Plan, der Vermögensverwaltung TKA Funds, Autor, Dozent und Betriebswirt. Der Artikel erscheint ebenfalls auf seinem Corporate-Blog “Daily Economist”.
Quellen
Wisniewski, B., Tögel, J., & Zierer, K. (2023). Empirische Arbeit: Inkompetent, ohne es zu merken? Tendenzen der Selbsteinschätzung am Beispiel von Lehramtsstudierenden. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 70(2), 79-92.
Mahmood, K. (2016). Do people overestimate their information literacy skills? A systematic review of empirical evidence on the Dunning-Kruger effect. Communications in Information Literacy, 10(2), 198-213.