Fehler und Risiken des Anlegens und Investierens: Signa Holding
Es war eine beeindruckende österreichische Erfolgsgeschichte. Innerhalb von zwei Jahrzehnten erschuf der Schulabbrecher René Benko einen der größten Konzerne in Europa. Bergab ging es jedoch für Benko und sein Imperium schneller, als er es selbst für möglich hielt. Innerhalb weniger Wochen wurde das Unternehmen zu einem Sanierungsfall, und Banken sowie Anleger verloren das Vertrauen in René Benko. Mit Gesamtverbindlichkeiten von rund fünf Milliarden Euro handelt es sich um die bisher größte Pleite in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Aber welche Gründe führten dazu? Wo lagen die Fehler und Risiken des Unternehmens, und wie hätten Anleger diese erkennen können?
Mangelnde Transparenz und mangelnde Einhaltung rechtlicher Bestimmungen
Eine Kardinalregel des Investierens lautet: Investiere nur in das, was du verstehst. Die Signa Gruppe von René Benko war derart undurchschaubar und verschachtelt, dass Anleger und Investoren, die in dieses Firmenkonstrukt investierten, es selbst nicht durchblickten. Eine derartig verschachtelte Konzernstruktur haben selbst erfahrene Branchenkenner noch nicht gesehen. Oben war die Signa-Holding (Signa Holding GmbH) angesiedelt, darunter waren Zwischen-Holdings, und darunter waren einzelne Unternehmen, die wiederum untereinander beteiligt waren.
Der Firmengründer, René Benko, wurde zudem 2014 strafrechtlich verurteilt. Weitere Gesetzesbrüche, wie das Nicht-Hinterlegen von Jahresabschlüssen beim Firmenbuchgericht, folgten. Man nutzte ebenso Schlupflöcher der Regulierung aus. Die Signa Holding war als kleine GmbH ins Firmenbuch eingetragen, so konnte man sehr intransparent agieren, da es keine Pflicht zur Wirtschaftsprüfung gab und somit kein testierter Jahresabschluss hinterlegt werden musste (und das bei einer Bilanzsumme von 5 Milliarden Euro). Banken hatten einen etwas tieferen Einblick in das Unternehmen, wodurch es so etwas Ähnliches wie konsolidierte Bilanzen gab. Diese wurden den Gesellschaftern und der Öffentlichkeit jedoch nie dargelegt.
Mangelnder Fokus und mangelndes Kostenbewusstsein
Konglomerate wie die Signa Gruppe sind in vielen unterschiedlichen Branchen tätig. Diese Mischkonzerne werden an der Börse zumeist mit einem Abschlag gehandelt. Als Begründung für den Abschlag wird das komplexere Management von Mischkonzernen genannt. Signa war zwar nicht börsennotiert, jedoch führte der mangelnde Fokus des Unternehmens auf eine Branche zu Ineffizienzen, was neben der erläuterten Intransparenz zu zusätzlichen Problemen für das Unternehmen führte. Die Geschehnisse um Kika/Leiner waren ebenso ein Warnsignal für versierte Anleger.
Bescheidenheit und Kostenbewusstsein waren ebenso nicht die Tugenden, denen sich Benko verschrieb. Der aus bescheidenen Verhältnissen kommende Immobilien-Jongleur hatte eine Vorliebe für schnelle Autos und luxuriöse Yachten. Hubschrauber und Privatflieger gehörten dazu. Allein für Privatjets wurden jährlich mehr als 2 Millionen Euro aufgewendet, hinzu kamen Kosten für Jagd und Bewachung von mehr als 1,1 Millionen Euro. Die 62-Meter-Yacht Roma von Signa wurde bei Branchentreffen auffällig präsentiert, während der Stand von Signa auf Ausstellungen zu den größten unter den Teilnehmern zählte. Beraterhonorare wurden in Millionenhöhe verrechnet, deren tatsächlicher Arbeitsaufwand für viele nicht nachvollziehbar war.
Das Karussell der Aufwertungen der Immobilien, hohe Verschuldung und Illiquidität
Neben hohen Aufwendungen, der Struktur, Transparenz, der Missachtung der rechtlichen Bestimmungen und der Fehler der Unternehmensführung gab es strukturelle Fehler im Geschäftsmodell. Diese Fehler waren nicht auf Anhieb sichtbar, da nach außen hin ein anderes Bild gezeichnet wurde: das Bild eines einfachen Geschäftsmodells, welches erst gar nicht scheitern kann. Signa kauft Immobilien, die als unterbewertet erachtet werden. Es werden dann zumeist Millionen Euro investiert, um diese Immobilien aufzuwerten. Das Geschäftsmodell bröckelte jedoch. Das Vorzeigeprojekt „Goldenes Quartier“ kam als eines der ersten Immobilienprojekte unter die Räder. Ein Viertel der Immobilien musste verkauft werden, da unrealistische Erwartungen und zu hohe Preise an die Häuser geknüpft wurden.
Die Signa Gruppe verzeichnete zwar ein schnelles Wachstum, dieses erfolgte jedoch nicht auf einem „soliden Fundament“. Anleger und Investoren haben auf Basis eines überhöhten Buchwerts der Immobilien beträchtliche Summen investiert, wodurch weitere und noch mehr günstige Kredite aufgenommen werden konnten. Diese spekulativen Vorgänge führten zu überzogenen Zukunftserwartungen, welche sich als nicht haltbar erwiesen. Mit der Realität und realistischen Erwartungen an die Renditen der Anlageklassen (hier vor allem Immobilien) hatte dies nichts mehr zu tun. Die Blase musste früher oder später platzen. So wies die Signa Prime Selection in Kapitalmarktprospekten eine der Prestigeimmobilien mit einer Mietrendite von 2,2 Prozent aus. Das ist weniger Rendite als die 2 bis 3 Prozent Rendite, welche für österreichische bzw. deutsche Staatsanleihen zu diesem Zeitpunkt bezahlt wurden (die als sehr sicherer gelten). Je nach Art der Immobilien erzielten Immobilien als Anlageklasse im historischen Vergleich durchschnittlich zwischen 3 Prozent und 5 Prozent Rendite. Die Schulden werden mit über 5 Mrd. Euro ausgewiesen (wird noch geprüft). Es ist davon auszugehen, dass der Wert der Immobilien ebenso noch mit Abwertungen verbunden sein wird (es liegen keine seriösen Bewertungen vor). Der aktuelle Leitzins der EZB liegt bei 4,50 Prozent. Bei einer derartigen Verschuldung (Immobilien wurden teils bis zu 70 Prozent mit Fremdkapital finanziert) und bei Fremdkapitalzinsen, welche sich den Renditen der Immobilien annähern bzw. über diesen liegen, kommt es früher oder später zu Liquiditätsproblemen (noch dazu, wenn die Investoren aufgrund der geringen Dividende im Jahr 2022 kalte Füße bekommen). Wenn immer mehr Investoren gleichzeitig zum Ausgang laufen und aus ihrem Investment aussteigen wollen, dann kommt es zu Liquiditätsengpässen, da Immobilien als illiquide Anlageklasse gelten und diese nicht sofort verkauft werden können.
Kommunikationspolitik und Netzwerk
Benko schuf ein mächtiges, zum Teil politisches Netzwerk und sammelte Politiker aus den unterschiedlichsten Couleurs um sich (u.a. zwei ehemalige Bundeskanzler), die er für sich zu nutzen verstand. Dies half (anfangs noch) bei der Suche nach Investorengeldern, jedoch brachten all diese prestigeträchtigen Namen nichts, wenn das dahinterliegende Geschäftsmodell auf einem derart wackligen Fundament aufgebaut ist. Hinzu kommt, dass prestigeträchtige Namen nicht darüber aussagen, wie qualifiziert eine Person im wirtschaftlichen Leben letztendlich ist (Gusenbauer gestand im Jahr 2022 freimütig ein, anfangs von Immobilien nicht viel gewusst zu haben).
Wie sich zeigte, verdienten einige prächtig daran. Gusenbauer und Kurz erinnern dabei ein wenig an die „Judasziege“. Diese Ziegen werden von Hirten als Anführer einer Herde eingesetzt, damit sie die nichts ahnenden Ziegen der Herde in den Schlachthof führen. Die Judasziege entkommt hingegen dem sicheren Tod, wird mit der Freiheit belohnt und kann die nächste Herde in den Tod führen. Es wurde viel mit „Netz“ gearbeitet, was dazu führte, dass andere ehrbare kaufmännische Prinzipien schnell in Vergessenheit gerieten.
Neben den angeführten Fehlern und Risiken kam hinzu, dass die Kommunikationspolitik des Unternehmens nicht den üblichen professionellen Standards entsprach. So verlor der ehemalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking bereits vor einigen Jahren das Vertrauen in den Immobilieninvestor René Benko. Er ist bereits 2016 ausgestiegen, da die Zahlen nicht mit den Aussagen Benkos in den Sitzungen übereinstimmten. Es wurde darauf nicht näher eingegangen, worauf sich Wiedeking aus der Signa Gruppe zurückzog. Die externe Kommunikation führte zu noch mehr Vertrauensverlusten in der Öffentlichkeit. Das erinnert mich an das, was der Autor Lawrence Wright in seinem Buch „Going Clear“ schrieb. Das Buch handelt von der erstaunlichen Geschichte der Scientology-Kirche: „Ein Reporter kann nur mit Menschen sprechen, die bereit sind, mit ihm zu sprechen. Worüber sich auch immer die Kirche über meine Berichterstattung beschweren mag, die Grenzen der Realität können auf die Entscheidung zurückgeführt werden, meine Interaktionen mit Personen einzuschränken, welche möglicherweise positivere Aussagen gemacht hätten.“ Die Kommunikationspolitik der Signa trug das Ihre zum mangelnden Vertrauen in die Gesellschaft bei.
Die dicken Fische kommen ungeschoren davon
Benkos Privatvermögen wird außen vor bleiben (Signa firmiert als GmbH), es sei denn, die Insolvenz wurde zu spät angemeldet. Dann kann Benko persönlich zur Verantwortung gezogen werden. Die Familie Benko Privatstiftung dürfte jedoch dafür sorgen, dass das René Benkos Vermögen auch im Falle anderer Umstände geschützt ist. Diese Stiftung wurde bereits 2017 sehr umsichtig aufgesetzt. Kommen juristische Tatbestände wie Insolvenzverschleppung zum Vorschein, sorgt die Stiftung dafür, dass Benkos Gelder immer noch sicher sind, da er nur indirekt darüber wacht (er hat keinen direkten Zugriff). Es bestünde die Möglichkeit einer Pfändung, im Zuge derer Benko auf andere Begünstigte dieser Stiftung zählen könnte, die ihm dann finanziell unter die Arme greifen. Und dennoch: Die Zeiten des unangefochtenen Immobilienkönigs in Europa scheinen für Benko vorbei zu sein. Er wollte es wissen, hoch hinaus, andere ausstechen und hat immer höher gespielt. Die Risikofreude, die er gehabt hat, war es auch, die ihm letztendlich zum Verhängnis wurde…