Die eine gute Sache an der hohen Inflation
Erschienen im Standard, am 8. November 2022
Eine hohe Inflation verursacht viele Probleme, weshalb die Zentralbanken von vornherein auf eine niedrige und stabile Inflation abzielen. Aber es scheint zumindest eine Sache zu geben, die besser wird, wenn die Inflation und – was in diesem Fall noch wichtiger ist – die Inflationserwartungen steigen: Die Menschen gehen weg von Spareinlagen und halten Anlageklassen, die langfristig eine höhere Rendite erwirtschaften.
Haushalte setzen auf Wertpapiere
Ganz allgemein zeigt sich, dass Aktienanlagen höhere Renditen verzeichnen, wenn die Inflation steigt, und schaffen so eine indirekte Absicherung gegen die jährlichen Preissteigerungen. Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Sobald die Inflation etwa vier bis fünf Prozent übersteigt, haben Unternehmen Schwierigkeiten, die steigenden Kosten für Rohstoffe und Ähnliches an die Endkunden weiterzugeben, und erleben eine Kosten-Preis-Schere. Gleichzeitig beginnen dann zumeist (wie derzeit an den Finanz- und Kapitalmärkten) die Bewertungen stark zu sinken. Die Kombination dieser beiden Effekte bedeutet, dass Anlageklassen wie Aktien nicht die beste Investition und ein mangelnder Inflationsschutz sind, sobald die Inflation auf einem Niveau von über fünf Prozent anhält.
Da die Menschen jedoch an Aktien als eine renditestarke Anlage glauben, die in Inflationszeiten helfen kann, führt eine steigende Inflation in der Regel zu einem Anstieg der Inflationserwartungen der Anleger, was wiederum die Anleger dazu motiviert, einen größeren Teil ihres Portfolios in Aktien umzuschichten. Was dazu führt, dass viele Haushalte die zukünftige Inflation überschätzen.
Nur sehr wenige Haushalte in Österreich investieren an den Finanz- und Kapitalmärkten. Dies ist hauptsächlich auf die Nichtbeteiligung armer Haushalte zurückzuführen, die nicht über genügend finanzielle Sicherheit verfügen, um überschüssige Ersparnisse in Aktien zu investieren. In den angelsächsischen Ländern ist der Anteil in der Regel höher.
Dabei zeigt sich bei den bestehenden Aktionären, dass diese unglaublich konzentriert sind (sie halten wenige Anlageklassen, Aktien und streuen keine Risiken wie nach Währungen oder Regionen).
Angesichts dieser niedrigen Beteiligungsquoten und der geringen Diversifikation in den Anlegerportfolios dürften jede Erhöhung der Aktienmarktbeteiligung und zusätzliche Investitionen in bestehende Aktienmarktportfolios die Rendite verbessern. Ein Anstieg der Inflationserwartungen um einen Prozentpunkt führt zu einem Anstieg des Anteils der Haushalte, die in Aktienmärkte investieren, um etwa drei Prozentpunkte und zu einem Anstieg des Aktienengagements der Haushalte, die bereits in Aktien investieren. Letzteres ist ein eher kleiner Effekt, aber wenn wegen der hohen Inflation mehr Haushalte an der Börse aktiv sind, macht das für die Altersvorsorge einen großen Unterschied – zumindest wenn Anleger und Anlegerinnen, die neu an der Börse investieren, am Markt bleiben und bei fallenden Kursen dann nicht wieder aufgeben.
Wie schützt man sich richtig vor Inflation?
Um nicht, wie eben geschildert, gleich aufzugeben, soll nun aufgezeigt werden, wie Schutz Ihrer Vermögenswerte zu Inflationszeiten sichergestellt werden kann.
1. Planen Sie im Voraus
Wie bei vielen anderen Finanzplanungs- und Anlagefragen ist es wahrscheinlicher, dass Sie Zeiten hoher Inflation erfolgreich meistern, wenn Sie einen Plan haben. Einen diversifizierten Anlagemix zu erstellen, der Ihre besondere Risikobereitschaft, Ihren Zeithorizont, Ihre Ziele, Herausforderungen und Ihre finanzielle Situation berücksichtigt, kann dabei helfen. Wenn Sie an Ihrem Plan festhalten, können Sie in Zeiten hoher Inflation auf Kurs bleiben, um Ihre Ziele zu erreichen.
2. Bleiben Sie diversifiziert
Unabhängig vom aktuellen Marktumfeld ist es immer ratsam, ein diversifiziertes Portfolio zu halten. Durch die Investition in verschiedene Arten von Vermögenswerten wird Ihr Risiko gestreut. Wenn also ein Sektor oder eine Anlageart schlecht abschneidet, kann eine andere Anlageart, die besser abschneidet, dazu beitragen, die Volatilität in Ihrem Portfolio auszugleichen.
3. Investieren sie über den Tellerrand hinaus
Österreichische Anleger und Anlegerinnen bevorzugen tendenziell Anlagen in Österreich. Dieses Phänomen ist als “Home Bias” (“Verzerrung des eigenen Landes”) bekannt und ist oft das Ergebnis von Emotionen oder dem Gefühl, sich mit dem Vertrauten wohler zu fühlen. Der deutschsprachige Raum macht weniger als ein Zehntel der weltweiten Kapitalmärkte aus. Jedoch investieren mehr als 75 Prozent der Anleger und Anlegerinnen vorwiegend in die heimischen Finanzmärkte. Ein weltweit gestreutes Portfolio, das mehrere Länder einschließt, erholt sich nach einer Finanzkrise schneller, schützt vor unakzeptablen Verlusten und unterliegt weniger Schwankungen, als wenn alles auf ein spezifisches Land gesetzt wird.
In Zeiten hoher Inflation kann die Kaufkraft des Einzelnen schnell erodieren. Während Sie wahrscheinlich die Auswirkungen auf Ihre täglichen Ausgaben spüren, werden die Auswirkungen auf Ihre langfristigen Investitionen wahrscheinlich schwerwiegender sein. Die angeführten Punkte helfen Ihnen, Ihr Anlagen so zu positionieren, dass sie in Zeiten steigender Inflation geschützt sind. (Bernhard Führer, 8.11.2022)