Sind Frauen die besseren Anleger und Sparer?

Regelmäßig belegen Studien die Überlegenheit des weiblichen Geschlechts beim Thema Geldanlage. Sie meiden unkalkulierbare Risiken und sind wesentlich geduldiger als Männer
Erschienen im Standard am 2. August 2021

Die Pandemie hat nicht lediglich gesellschaftliche Spuren und Einschränkungen hinterlassen, sondern führte ebenso dazu, dass Menschen weniger Geld ausgeben konnten und ließ so die Sparquoten ansteigen. So sparte laut einer erst kürzlich erschienenen Studie von J.P. Morgan jede dritte der befragten Frauen mehr während der Pandemie (bei den Männern waren es vier von zehn). Dabei investieren im Schnitt knapp 30 Prozent der Frauen regelmäßig und annähernd 50 Prozent der Männer. Diejenigen, die von den Finanz- und Kapitalmärkten lieber Abstand halten, vermeiden diese aufgrund des Risikos. 65 Prozent der Frauen und 57 Prozent der Männer argumentieren dies damit, dass ihnen dies zu “kompliziert” sei. Die Anlageberatung beginnt oft mit der Annahme, dass Frauen erst dazu gebracht werden müssen, Finanzen zu verstehen. Dies hängt auch ein Stück weit damit zusammen, dass Frauen im Gegensatz zu deren männlichen Anlegern risikoscheue Marktteilnehmer sind. Aber die Forschung bestätigt diese Stereotypen nicht. Tatsächlich übertreffen weibliche Anleger durchwegs ihre männlichen Kollegen, was ihnen im Ruhestand ein Vielfaches an Vermögenswerten mehr bescheren könnte. Zu verstehen, wie Frauen investieren und warum und wie sie sich darin auszeichnen, kann jedem helfen, unabhängig vom Geschlecht, mit seinen Investitionen bessere Arbeit zu leisten.

Finanzielle Bedürfnisse der Frauen

Grundsätzlich funktioniert Geldanlage und Vermögensaufbau für Frauen wie für Männer sehr ähnlich. Je früher damit begonnen wird, desto besser. Nicht erst seit der vorherrschenden niedrigen Zinsphase sind Aktien langfristig die profitabelste Geldanlage. Dennoch gibt es Unterschiede, die es wert sind, beim Sparen und Investieren für den Ruhestand berücksichtigt zu werden.

  1. Verdienen Frauen oft weniger als Männer, was das Sparen für den Ruhestand erschwert. Hinzu kommt, dass die Karriere der Frauen unterbrochen werden kann, da Kinder großgezogen werden und so ihr gesamtes Lebenseinkommen sinkt und die nächste Beförderung verzögert wird.
  2. Leben Frauen in der Regel länger als Männer, daher ist es hilfreich, wenn Sie einen etwas größeren finanziellen “Notgroschen” haben.
  3. Aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung überleben Frauen in der Regel ihren Ehemann oder Partner und oft gibt es niemanden, der sich um sie kümmert, wenn sie krank sind. Deshalb besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass Sie in einem Pflegeheim landen. Die zunehmende Anzahl an Single-Haushalten trägt das Ihre dazu bei.
  4. Neigen Frauen weniger als Männer dazu, hohe Anlagerisiken einzugehen. Dies hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Frauen scheinen sich weniger zu risikoreichen Investitionen hingezogen zu fühlen – risikoreiche Aktien, mangelnde Diversifizierung, spekulative Trends, den Handel mit Derivaten oder den Kauf aggressiver Investmentfonds – Dinge, welche die Anlagerenditen von Männern häufig sehr stark mindern.

Obwohl Untersuchungen ergeben, dass Frauen beim Investieren besser abschneiden als Männer, zögern einige Frauen immer noch, Investitionen zu tätigen. Dies mag zumindest teilweise daran liegen, dass Frauen aufgrund des geschlechtsspezifischen Einkommensgefälles einfach weniger freies Geld zum Investieren haben. Je nach Herkunft und ethnischer Zugehörigkeit kann diese Kluft bei Frauen 50 bis 80 Prozent des Einkommens von Männern hinterlassen, was die Investitionsmöglichkeiten von Frauen ziemlich stark beeinträchtigen kann. Dennoch haben Frauen gegenüber Männern offenbar klare Vorteile beim Investieren und der Geldanlage. Wie die beiden Forscher und Ökonomie-Nobelpreisträger Amos Tversky und Daniel Kahneman beschrieben haben, sind Frauen im Vergleich zu Männern viel weniger anfällig für die Verhaltensverzerrung der “Selbstüberschätzung”. Dies ist gerade im Bereich der Investitionen und der Geldanlage von Vorteil. Studien zeigen, dass Frauen mehr Zeit damit verbringen, ihre Anlageentscheidungen zu recherchieren und obwohl sie beim Investieren weniger Risiken eingehen als Männer, heißt das nicht, dass sie risikoscheu sind. Vielmehr gehen sie bei ihren Investitionen einfach ein angemesseneres Risiko als Männer ein. Dies hindert Frauen daran, “heißen” Tipps nachzujagen und sie haben so eine höhere Wahrscheinlichkeit eine gute altersbasierte Vermögensallokation zu erreichen und eine angemessene Diversifizierung sicherzustellen, um ihr Geld zu schützen und das unabhängig von der jeweiligen Marktlage.

Von Frauen lernen und Ungleichheiten reduzieren

Was kann man aus den angeführten Erkenntnissen für sich mitnehmen? Allgemein scheinen Frauen sich mit dem Besitz von Aktien weniger wohl zu fühlen, was ihre langfristigen Ergebnisse merklich beeinträchtigen kann. Wenn Frauen diese Zurückhaltung jedoch überwinden können, sind sie oft großartige Investoren, weil sie weniger geneigt sind, die risikoreichen Investitionen zu kaufen, die die Ergebnisse von Männern torpedieren können. Das Meiden hochspekulativer Papiere und die Verfolgung konservativer Anlagestrategien kann uns alle langfristig erfolgreicher machen. Hinzu kommt, dass es derzeit wichtiger denn je ist, dass sich gerade Frauen aktiv an den Finanz- und Kapitalmärkten engagieren. So bekommen Frauen im Durchschnitt im Ruhestand viel weniger gesetzliche Pension als Männer (ebenso ist das Altersarmutsrisiko bei Frauen um 25 Prozent höher als das bei Männern). Mit den richtigen Anlageklassen können Frauen (als auch Männer) ihre Altersvorsorge entsprechend ergänzen. Wenn Frauen sich trauen, aktiv werden und einen langfristigen Zeithorizont ins Auge fassen, gibt es viel für sie zu gewinnen – denn die Forschung zeigt immer wieder, dass Frauen die besseren Anleger sind. (Bernhard Führer, 2.8.2021)