Mit Kryptowährungen Geld wie Mark Zuckerberg, Bill Gates und Jeff Bezos verdienen, reich werden durch Bitcoin & Co: Auf zu neuen Höhen oder platzt die Blase?

Erschienen im Standard, am 1. Juni 2021

Die klassische Finanztheorie geht davon aus, dass Menschen rational sind und Portfolios auswählen, die in ihrer Abwägung von Risiko, Rendite und Korrelation mathematisch optimal sind. Aus allen möglichen optimalen Portfolios wählen sie unter Berücksichtigung ihrer Risikoaversion dasjenige aus, das ihren Nutzen am ehesten maximiert. So verschieden die Menschen sind, gibt es jedoch auch ebenso unterschiedliche Investmentlösungen. Die meisten Medien, Kommentatoren, vermeintlichen Experten und Börsengurus stellen den “durchschnittlichen” Anleger und Investor in den Mittelpunkt des Geschehens, wenngleich es solch eine Person erst gar nicht gibt. Anleger haben nun einmal verschiedene Zeithorizonte, Lebensumstände, Risikoverhaltensweisen und Ziele im Leben.

Eugene Fama, Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften, wurde einmal gebeten, das ideale Portfolio (Zusammenstellung der Vermögens-/Anlageklassen) zu definieren. Dabei musste er schmunzeln, da er die Ansicht vertrat, dass es für die Zusammenstellung vorhandener Vermögenswerte eine unendliche Anzahl von Möglichkeiten gibt – so wie ja auch kein Mensch dem anderen gleicht.

Ohne Plan geht es nicht

Zu den Finanzmärkten gehören Blasen, Crashs, hochpreisige Anlageklassen oder Aktien von Unternehmen ohne Gewinne und Anleger, die gegen ihre eigenen Interessen handeln. Die jüngsten Schlagzeilen über Gamestop, Bitcoin, Hightechs und gehebelte Produkte erinnern an die Blasen, die an den Finanz- und Kapitalmärkten bereits seit Jahrhunderten auftreten. Um die Märkte zu verstehen, ist es von entscheidender Bedeutung herauszufinden, was passiert, wenn die Preise – in beide Richtungen – um große Beträge vom Fundamentalwert abweichen. Um Geld an den Börsen und Kapitalmärkten zu machen, muss man nämlich nicht nur vorhersagen, inwieweit diese fundamentalen Werte abweichen und in welche Richtung sich die Aktien-, Rohstoff-, Währungs- oder Anleihemärkte bewegen, oder versuchen herauszufinden, welche Aktie oder welcher Fonds sich in den nächsten Jahren verdoppeln wird. Viel mehr ist es für die große Mehrheit der Anleger und Investoren wichtig, einen Plan, Selbstdisziplin, einen durchsetzungsstarken Willen und ein grundlegendes Verständnis der Finanzmärkte zu haben.

Was gilt es bei der Investition in Kryptowährungen zu beachten?

Ausnahmetalente, die Geld verdienen wie Mark Zuckerberg, Bill Gates oder Jeff Bezos, sind sehr spärlich anzutreffen. Auch haben solche Genies den “Vorteil”, nicht über die Finanz- und Kapitalmärkte Bescheid wissen zu müssen. Sie sind eine Ausnahmeerscheinung auf ihrem Gebiet und häufen Vermögenswerte als Nebenprodukt ihres Talents und ihrer Fähigkeiten an. Aber durch diese Art zu Wohlstand zu gelangen ist selten, beinhaltet Glück, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass Sie oder ich solch ein Genie sind. Deshalb ist es für den durchschnittlichen Anleger und Investor vonnöten, einen Finanzplan aufzustellen und ein grundlegendes Verständnis der Funktionsweise der Wirtschaft und der Finanzmärkte zu besitzen, soll ein entsprechendes Maß an Wohlstand erzielt werden. Dazu gehört ebenso das Verstehen von Blasen an den Märkten.

Wie zuverlässig sind Kryptowährungen?

Die Bezeichnung “Kryptowährung” suggeriert, dass es sich dabei um Währungen handelt, die den Anschein erwecken, sich vom Rand der Finanzwelt zum Mainstream zu entwickeln. Währungen haben vor allem zwei Funktionen zu erfüllen: zum einen im realen Leben Transaktionen zwischen Marktteilnehmern zu gewährleisten und zum anderen als Speicher für Vermögenswerte zu dienen. “Bitcoin”, die populärste Kryptowährung, erfüllt beide Funktionen nicht. Es können damit weitestgehend keine herkömmlichen Transaktionen durchgeführt werden (erst kürzlich akzeptierte Tesla Bitcoin wegen Klimabedenken nicht mehr), die eine entsprechende Rechtssicherheit voraussetzen. Mit anderen etablierten Währungen ist dies möglich, wenngleich die Möglichkeit besteht, dass sich dies ändert – dahingehende rechtliche Regulieren bergen ihrerseits wiederum Risiken in sich.

Hinzu kommt, dass die Schwankungsbreiten von Kryptowährungen viel höher sind als bei herkömmlichen Währungen. Daher eignen sich diese ebenso nicht als Speicher für Vermögensklassen – beispielsweise den Kauf von Aktien mittels Bitcoin. Eine Währung muss stabil genug sein, damit Sie wissen, welche Art von Waren Sie am Montag kaufen können, wenn Sie am Freitag bezahlt werden. Während es in Zukunft Veränderungen geben könnte, ist Bitcoin, wie es derzeit existiert, größtenteils ein spekulativer Vermögenswert.

Bitcoin befindet sich mit ziemlicher Sicherheit in einer Blase, und die derzeitige Wachstumsrate ist nicht nachhaltig in die Zukunft zu projizieren. Wenn sich das Jahr 2021 als 2020 herausstellen würde (gemessen am prozentualen Zuwachs), wäre die Marktkapitalisierung von Bitcoin höher als die aller im Umlauf befindlichen US-Dollar.

Wie erkennt man eine Blase?

Dennoch sind Marktblasen aus vielen Gründen schwierig auszumachen – aber hauptsächlich, weil keine zwei einander gleichen. Wir alle kennen die niederländische Tulpenblase des 17. Jahrhunderts, die Dotcom-Blase 2001, die Finanzkrise 2007/08 und ähnliche spekulative Manien. Im Nachhinein erkennen wir diese Episoden als kollektiven Wahnsinn und meinen auch zukünftige überzogene Kursanstiege identifizieren zu können. Wirft man einen Blick auf das globale Fiat-System (Dollar, Euro und so weiter), befindet sich dieses jedoch in einer noch größeren Blase – eine österreichische Staatsanleihe mit einer Fälligkeit im Juni 2120, also in fast 100 Jahren, wurde kürzlich mit einer Rendite von unter 0,50 Prozent gehandelt. Investoren sind gezwungen, mehr als 15 Billionen US-Dollar an negativ verzinslichen Schulden zu halten, während Billionen US-Dollar auf der ganzen Welt gedruckt werden. Anleger suchen folglich einen Ausweg und greifen auf Kryptowährungen als “Lebensader” zurück.

Während die anhaltend niedrigen Renditen die Preise erhöhen und die erwarteten Renditen auf allen Märkten gedrückt werden, werden viele Anleger die unbekannten erwarteten, vermeintlich höheren Renditen riskanter Vermögenswerte, gegenüber den garantierten Verlusten bei Anleihen, vorziehen. Anleger verfolgen und investieren demnach in Märkte, die entweder keine fundamentalen Kennzahlen haben, wie Bitcoin (Problematik, dass sich diese sehr schwer bewerten lassen), oder in Vermögenswerte mit Wachstumsgeschichten, die der Fantasie viel Raum lassen (Tech und Hype um elektronische Antriebe).

Solange die Welt mit Geld überflutet wird und sichere Vermögenswerte eine schlechte Entschädigung (Rendite) bieten, werden Bitcoin und andere Kryptowährungen relevant sein. Dabei ist Bitcoin die Kehrseite gängiger Fiat-Währungen. Ihr langfristiges Schicksal hängt von der Zukunft unseres bereits bestehenden Währungssystems ab. Seit den 1980er-Jahren hat der deflationäre Druck die Zinssätze am Boden gehalten und letztendlich das Drucken von Geld auf der ganzen Welt erforderlich gemacht. Wird dies so aufrechterhalten und setzt sich dieser Trend fort, werden die Anleger vor garantierten Verlusten bei Staatsanleihen davonlaufen und die Preise spekulativer Anlageklassen in eine neue Höhe bewegen, die Renditen senken und auf diesem Weg Vermögensblasen erzeugen.

Bitcoin und andere Kryptowährungen mögen ihre Daseinsberechtigung haben (beispielsweise in sehr instabilen Ländern), jedoch werden diese weiteren regulatorischen Änderungen unterworfen sein, welche ihrerseits Risiken für diese neuen Formen der “Währungen” in sich bergen. Viele mögen denken, mit Kryptowährungen wäre es einfach, Geld wie Mark Zuckerberg, Bill Gates und Jeff Bezos zu verdienen, und dass dieses Mal alles anders ausgehen werde. Ich weiß zwar nicht, wann oder wie diese Blasen platzen werden, aber die Geschichte legt nahe, dass sie platzen werden. Die Lektion: Wenn es wie eine Blase aussieht, ist es meistens auch eine. (Bernhard Führer, 1.6.2021)