Mangelnde Unabhängigkeit auf Kosten der Geldanleger
Technologiekonzernen dringen in einstige Monopole der Banken vor. Auch das Veranlagungsgeschäft gerät immer mehr unter Druck
Erschienen im Standard, am 12.10.2021
Häufig ist in den Medien zu vernehmen, dass durch die Inflation (jährliche Preissteigerungen) den Sparern jährlich rund sechs Milliarden Euro entgehen. Das ist mit der Realität absolut vereinbar. Vorenthalten wird den Sparern und Anlegern jedoch, dass diesen durch mangelnde Unabhängigkeitserfordernisse von Finanzinstituten und durch die Auswahl falscher Anlageprodukte eine weit höhere Summe entgeht. Aber nicht nur die fehlenden Unabhängigkeitserfordernisse tragen zu unterdurchschnittlichen Resultaten der Anleger bei, sondern ebenso, dass Finanzinstitute vornehmlich hauseigene aktive Produkte (sprich Fonds) anbieten und diese zu mehr als 80 Prozent schlechtere Leistungen erzielen als kostengünstigere Veranlagungen, die gleichzeitig bessere Resultate für die Geldanleger erbringen würden.
Undurchsichtige Branche
Nicht selten sind, wie in jeder anderen Branche auch, Interessenkonflikte in der Finanzindustrie anzutreffen. Aufgrund ihrer Undurchsichtigkeit kann die Finanzbranche sehr verwirrend für Außenstehende sein. Dies macht es für Vermögensberater leicht, nicht im besten Interesse für jemanden zu handeln. Anlegern mag dies auf den ersten Blick nicht auffallen. Der durchschnittliche Anleger erzielt einige Prozentpunkte weniger Rendite als die durchschnittliche Rendite der Finanzmärkte. Die unterdurchschnittlichen Renditen der Anleger und Investoren stehen auch ein Stück weit damit in Verbindung, dass diesen nur ein verschwommenes Bild ihrer Situation oder der Finanzindustrie gezeichnet wird. Dies hat auch mit der mangelnden Unabhängigkeit der Menschen zu tun, die in dieser Branche arbeiten. Sie gehen auch nicht ohne weiteres zu McDonald’s und fragen nach einem Burger von Burger King.
Deswegen sollten Anleger auch nicht mit Anlageberatern oder Vermögensverwaltern zusammenarbeiten, die über hauseigene Fonds verfügen. Es ist dann leicht möglich, dass Ihnen diese Fonds empfohlen und verkauft werden und Sie Ihre Vermögenswerte in diese investieren. Ähnliche Problemstellungen, die im Falle hauseigener und nicht hauseigener Fonds aufgezeigt wurden, können sich zwischen den unterschiedlichen Beratern am Finanzdienstleistungssektor ergeben. So kann beispielsweise zwischen freien Wertpapiervermittlern und an Unternehmen gebundenen Vermittlern unterschieden werden. Ohne näher auf die rechtlichen Nuancen zwischen gebundenen und ungebundenen Vermittlern einzugehen, ist es für Anleger wichtig, auf die Unabhängigkeitserfordernisse zu achten.
Mangelnde Unabhängigkeit
Aufgrund der mangelnden Unabhängigkeitserfordernisse sind Investmentberater jedoch häufig nicht auf der Seite ihrer Klienten. Weil es sich um Vermögen handelt, das von erheblichem Interesse sein kann, nicht nur für zukünftige Lebensplanungen, sondern für die gesamte Lebenszufriedenheit der Anleger. Dies steht in Verbindung mit dem Verkauf der Produkte, mangelnder Verpflichtungen, das beste Produkt anzubieten oder mit dem Verkauf von eigenen Fonds beziehungsweise Investment-Produkten. Die meisten Banken oder Investmentgesellschaften, die hauseigene Fonds anbieten, verfügen über entsprechende Berater und Verkäufer für ihre angebotenen Fonds. Dieser Fondsvertrieb kann auf ganz unterschiedliche Wege erfolgen, wobei diverse Gesellschaften involviert sein können, die es für Anleger und Investoren schwer machen, zu erkennen, wer denn nun unabhängig ist und wer nicht.
Dabei liegt es auf der Hand, dass Veranlagungsberater, die für Unternehmen arbeiten, die selbst Fonds auflegen, zumeist nicht über die besten Fonds oder Produkte für ihre Klienten verfügen. Dies spiegelt sich dann in schlechteren Leistungen und Renditen in den Portfolios ihrer Kunden wider. Häufig finden sich Konstruktionen, wo beispielsweise eine Kapitalanlagegesellschaft (KAG) mit einem Konzern verbunden ist. Diese Kapitalanlagegesellschaft legt eigene Fonds und andere Investmentprodukte auf und möchte diese entsprechend verkaufen. Im Konzern besteht hohes Interesse, dass insbesondere konzerneigene Produkte verkauft werden. Man endet schließlich wieder bei einer Verkaufsperson, die eigene (oder verbundene) Produkte und Fonds offeriert. Dies sollte man immer im Hinterkopf behalten.
Wenn wir beispielsweise auf den deutschen Markt blicken, der ähnlich wie der österreichische aufgestellt ist, sehen wir, dass die Deutschen in Sachen Geld und Vermögen gerne die Sparkassen als erste Anlaufstelle aufsuchen. Diese verfügen auch über einen Marktanteil von über 35 Prozent (gemessen an den Einlagen). Dabei werden den Kunden als Anlageform oder für die Altersvorsorge vornehmlich Fonds der eigenen Fondsgesellschaft verkauft (der Deka). Dabei zeigen unternehmensinterne und -externe Untersuchungen, dass mehr als die Hälfte dieser Fonds die Renditeziele verfehlen oder unterdurchschnittliche Leistungen erzielen.
Aktive versus passive Fonds
ETFs (Exchange traded funds) – preiswerte passive Fonds, die von Banken restriktiv angeboten werden, so auch in Österreich – bilden die Entwicklung der Werte von Indizes nach (zumeist Aktienindizes, jedoch zunehmend auch andere). In den vergangenen Jahren erlebten diese ETFs enorme Zuwachsraten – nicht zu Unrecht. Die Mehrheit der Studien zeigt, dass aktive Fonds (durch Fondsmanager gemanagte Produkte) schlechtere Leistungen (Renditen) als der jeweilige Index erzielen (zum Nachteil der Anleger und Investoren). Die Meinungen darüber sind geteilt, steckt dahinter ein eine Billion schwerer undurchsichtiger Markt mit vielen Profiteuren, die nichts von ihrem Stück des Kuchens abgeben wollen, und zumeist auf ihren Vorteil bedacht sind.
Paradoxerweise rät auch einer der erfolgreichsten Investoren unserer Zeit, Warren Buffett, zu passiven Anlageprodukten, obwohl er durch aktives Investieren zu seinem Vermögen gekommen ist. Dies hängt mit den veränderten Gegebenheiten auf den Kapitalmärkten zusammen. Waren vor einigen Jahrzehnten noch überwiegend Privatanleger am Aktienmarkt beteiligt, sind es nun weitgehend institutionelle Investoren, die über eine entsprechende Professionalität verfügen, was wiederum zu erhöhter Konkurrenz und geringeren Renditen für die Anleger führt. Es wird folglich schwerer den von institutionellen Anlegern dominierten Markt (sprich den Index, welchen ETFs günstiger nachbilden) zu übertreffen. Sind aktive Fondsmanager jedoch über die Jahre überdurchschnittlich erfolgreich (was zumeist nicht der Fall ist), schließen diese ohnehin ihre Fonds und sind für “normale” Bürger nicht mehr zugänglich (auch das ist am österreichischen Markt kaum zu beobachten).
Angesichts dessen können ETFs (Exchange traded funds) ohne Frage zu den bedeutendsten Errungenschaften seit der Einführung von (aktiven) Fonds gezählt werden. Trotzdem werden Banker nicht müde, vor diesen zu warnen. Das liegt daran, dass der Asset-Management-Bereich nach wie vor ein profitables Geschäft für diese ist. Viele der etablierten “Player” haben gar keine passiven Produkte (ETFs) in deren Angebot und falls doch, werden die Anleger über diese Produkte nicht ausreichend informiert. Somit schielen die Banken zunehmend mit einem neidischen Auge auf Blackrock und andere Anbieter von passiven Anlageprodukten.
Herausforderungen für die Anleger
Die Wahl einer geeigneten Vermögensveranlagung kann Anleger vor Herausforderungen stellen. Schon geringe Verbesserungen der Veranlagungsstrategie können sich enorm positiv auf Nachsteuererträge auswirken. Es sollte bei der Auswahl eines Investmentberaters jedoch unbedingt auf dessen Unabhängigkeit geachtet werden. Die Anreizgestaltung im wirtschaftlichen Zusammenleben stellt einen ausschlaggebenden Punkt für den Erfolg dar, wird aber dennoch häufig nicht beachtet.
Die Ausführungen zu den Unabhängigkeitserfordernissen, involvierten Akteuren und Marktrenditen zeigten deutlich, dass Anleger und Investoren leicht auf der “Strecke” bleiben können. Über die letzten 20 Jahre erwirtschaftete der durchschnittliche Anleger rund zwei Prozent Rendite, bei einem Durchschnitt von acht Prozent, welche Aktien insgesamt erzielt hätten. Rein mathematisch muss der Durchschnitt der involvierten Beteiligten (die angeführten aktiven Anleger und Investoren) nach Gebühren unterdurchschnittliche Renditen erzielen. Faktum ist auch, dass aktives Management mehr Kosten verursacht als passives Management. Ebenso kommt es zusätzlich, neben den erhöhten Kosten und Gebühren, zu höheren Steuern bei aktiven Managern.
Wenn jedoch aktive Manager gefunden werden, die besser als der Markt sind (“Gewinner”), ist daraus nicht zu folgern, dass diese Gewinner von heute auch die Gewinner von morgen sein werden. Ganz im Gegenteil, es gibt ausreichend Belege dafür, dass vergangene Gewinner nicht die Gewinner in der Zukunft sind. Vor diesem Hintergrund erstaunt es mich immer wieder, warum dennoch viele Anleger und Investoren aktive Manager und Fondsprodukte wählen. Dies ist zumeist deshalb der Fall, da Anleger und Investoren darüber nicht ausreichend aufgeklärt und die Unabhängigkeitserfordernisse nicht ausreichend sichergestellt werden. Würden die Anleger und Investoren ausreichend darüber informiert und aufgeklärt werden, dass sie mit Sicherheit mehr an Gebühren zahlen, mit Sicherheit mehr an Steuern zahlen und deswegen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unterdurchschnittliche Rendite erzielen (auch vor Steuern, Gebühren und Transaktionskosten), würden sich diese anders entscheiden. Dies liegt auf der Hand, jedoch wird ihnen das meist vorenthalten. (Bernhard Führer, 12.10.2021)