Worte sagen mehr als Taten
Geopolitik bleibt ein wichtiger Faktor, der die Aktienmärkte kurzfristig aus der Bahn werfen kann. Die meisten geopolitischen Ereignisse führen nicht zu langfristigen Kursrückgängen an den Aktienmärkten. Vielmehr führen sie zu einem kurzen, heftigen Rückschlag, gefolgt von einer Erholung. Wie stark diese Erholung ausfällt, hängt vom Markt und davon ab, ob es sich um Kriegsdrohungen oder kriegerische Handlungen handelt.
Das gängigste Maß für geopolitische Risiken ist der GPR, der von Dario Caldara und Matteo Iacoviello entwickelt wurde. Er misst die Anzahl der Zeitungsartikel zu Themen, die geopolitische Risiken behandeln, und unterscheidet zwischen geopolitischen Bedrohungen (Kriegs-, Revolutions- und Terrorgefahr) und geopolitischen Handlungen.
Zwei Forscher der Universität Turku analysierten, wie sich Veränderungen des GPR und seiner Komponenten auf die Überrenditen von 40 verschiedenen Aktienmärkten weltweit auswirken. Sie fanden heraus, dass die Reaktion der Aktienmärkte auf Veränderungen geopolitischer Risiken von Land zu Land sehr unterschiedlich ausfällt und positiv, negativ oder (am häufigsten) unbedeutend sein kann. Insbesondere in Großbritannien und den meisten westeuropäischen Ländern wie Deutschland und Frankreich stellten sie einen signifikanten Einfluss geopolitischer Risiken auf die Überrenditen der Aktienmärkte gegenüber dreimonatigen Staatsanleihen fest. In den USA ist dieser Zusammenhang tendenziell sehr gering und kurzfristig meist unbedeutend (mehr zu den langfristigen Auswirkungen morgen).
Allerdings verzeichnen die europäischen Aktienmärkte als Reaktion auf einen Anstieg geopolitischer Risiken einen deutlichen Anstieg der Überrenditen. Die folgende Grafik zeigt die aktuelle Reaktion der Aktienmärkte auf einen Anstieg geopolitischer Risiken. Geopolitische Bedrohungen haben in jedem Land einen größeren Einfluss als geopolitische Handlungen.
Vereinfacht ausgedrückt: Aktienmärkte reagieren stärker auf Worte (Drohungen) als auf Taten. Anleger scheinen ständig nervös zu sein, und sobald sie einen Hauch steigender geopolitischer Risiken wahrnehmen, neigen sie dazu, zunächst zu handeln und erst später Fragen zu stellen. Sie verkaufen Aktien und bewerten dann die Lage. Wenn diese Bedrohungen nachlassen (was in der Regel der Fall ist), erholen sich die Aktienmärkte deutlich. Kriegshandlungen hingegen erfolgen in der Regel erst, nachdem die Bedrohungen vom Markt erkannt und verarbeitet wurden. Daher reagieren die Märkte weniger volatil, es sei denn, die Ereignisse erfolgen ohne Vorwarnung.
Diese Studie zeigt jedoch erneut, dass geopolitische Risiken kein Grund zur Angst sind. Für kluge Anleger können sie attraktive Kaufgelegenheiten bieten. Wie Baron Rothschild angeblich sagte: „Der richtige Zeitpunkt zum Kaufen ist, wenn Blut auf den Straßen fließt.“ Manchmal kann man das wörtlich nehmen.