Hat Geld die Macht, glücklich zu machen? Ein Blick auf die Studienlage
Geld erfüllt in der klassischen Wirtschaftslehre drei grundlegende Funktionen: Es dient als Tauschmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit. Viele Menschen schreiben dem Geld jedoch noch eine weitere Rolle zu – die eines Glücksbringers. Ob Geld tatsächlich der Schlüssel zum persönlichen Glück ist, bleibt umstritten. Wissenschaftliche Studien widmen sich intensiv dieser Frage und liefern teils widersprüchliche Ergebnisse.
Ist Geld der Weg zum Glück?
Eine wegweisende Untersuchung zu diesem Thema stammt aus dem Jahr 2010. Der Psychologe Daniel Kahneman und der Ökonom Angus Deaton stellten fest, dass Einkommen und Glück miteinander verbunden sind, jedoch nur bis zu einem Schwellenwert von etwa 75.000 US-Dollar Jahresverdienst. Jenseits dieses Betrags nahm der Einfluss des Einkommens auf das Wohlbefinden ab. Ihre Ergebnisse legten nahe, dass Geld zwar glücklich machen kann, dieser Effekt jedoch mit steigendem Einkommen abflacht.
Zur Untersuchung des emotionalen Wohlbefindens befragten die Forscher die Teilnehmer nach ihren Gefühlen des Vortages, wie Freude, Ärger oder Stress. Die generelle Lebenszufriedenheit zeigte hingegen einen kontinuierlichen Zusammenhang mit dem Einkommen, unabhängig von einer Obergrenze. Ihr Fazit: Ein hohes Einkommen steigert die Lebenszufriedenheit, aber Glück lässt sich nicht kaufen. Umgekehrt kann ein niedriges Einkommen emotionalen Schmerz und Sorgen verschärfen.
Neue Perspektiven auf das Einkommen-Glück-Paradoxon
Im Jahr 2020 sorgte der Glücksforscher Matthew Killingsworth für Aufsehen mit einer neuen Studie, die die Ergebnisse von Kahneman und Deaton infrage stellte. Durch eine methodische Anpassung – die Befragten dokumentierten ihr Wohlbefinden in Echtzeit statt rückblickend – zeigte sich kein Einkommensplateau. Auch bei Einkommen über 75.000 US-Dollar konnte eine Steigerung des Wohlbefindens festgestellt werden. Zusätzlich befragte Killingsworth mehr Personen mit höheren Einkommen und nutzte eine differenziertere Skala zur Erfassung der Gefühlslage.
Die Ergebnisse standen im Widerspruch zu den früheren Studien: Mehr Geld schien doch auch über die bisher vermutete Grenze hinaus für mehr Glück zu sorgen. Diese Erkenntnis brachte neuen Schwung in die Diskussion, doch anstatt sich zu widersprechen, entschieden sich die Forscher zur Zusammenarbeit.
Eine gemeinsame Studie: Die Wahrheit liegt in der Mitte
Im Jahr 2022 veröffentlichten Kahneman und Killingsworth zusammen mit der Psychologin Barbara Mellers eine weitere Studie, um die unterschiedlichen Ergebnisse zu erklären. Die erneute Analyse der Daten ergab ein differenziertes Bild: Während für die unglücklichsten 20 % der Befragten ein Einkommensplateau existierte, galt für die restlichen 80 % weiterhin ein positiver Zusammenhang zwischen Einkommen und Wohlbefinden. Überraschenderweise verstärkte sich der Effekt in der glücklichsten Gruppe ab einem Einkommen von 100.000 US-Dollar sogar noch.
Die Bedeutung der Methodik
Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Methodik bei Studien zu komplexen Themen wie Glück und Einkommen. Variationen in der Datenerhebung, Frageformulierung und statistischen Analyse können zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Auch die Übersetzung und Interpretation von Begriffen wie „emotionales Wohlbefinden“ oder „Glück“ spielt eine Rolle. Während kurzfristige Emotionen erfasst werden können, bleibt die langfristige Lebenszufriedenheit ein anderer, oft unterschätzter Faktor.
Ein wichtiger Punkt: Die Durchschnittswerte, die in solchen Studien ermittelt werden, sagen wenig über individuelle Situationen aus. Für Einzelpersonen können die Zusammenhänge variieren, abhängig von persönlichen Lebensumständen, Perspektiven und Zielen.
Was kannst du daraus lernen?
Die Studien liefern keine universellen Antworten, aber sie geben Denkanstöße: Wenn finanzielle Sorgen das Leben belasten, kann ein höheres Einkommen Abhilfe schaffen. Doch Geld allein ist selten der Garant für dauerhafte Zufriedenheit. Es kommt darauf an, wie du mit deinem Geld umgehst und welche Prioritäten du setzt. Genießt du teure Hobbys, die dir Freude bereiten? Oder bist du glücklich mit einem minimalistischen Lebensstil? Auch die Zufriedenheit im Job spielt eine Rolle: Ein erfüllender Beruf kann oft mehr zur Lebensfreude beitragen als ein hohes Gehalt.
Fazit: Glück ist individuell
Geld beeinflusst zweifellos unser Leben, von Stress durch Rechnungen bis zur Freude über finanzielle Sicherheit. Doch das Geheimnis des Glücks liegt nicht allein im Kontostand. Jeder Mensch muss für sich herausfinden, welche Rolle Geld in seinem Leben spielt und wie stark es das persönliche Glück beeinflusst. Letztlich ist Glück eine individuelle Reise – und Geld kann dabei ein Werkzeug sein, aber nicht die Antwort auf alle Fragen.