Globale Investitionen: Chancen und Risiken der US-Dominanz in Welt-ETFs

Strategien zur Optimierung der geografischen Diversifikation und Reduzierung von Klumpenrisiken im Aktienportfolio

Erschienen im Standard, im Oktober 2024

Wenn Sie 100 Euro in einen MSCI-World-ETF investieren, fließen derzeit rund 71 Euro in US-Unternehmen. Selbst bei breit diversifizierten Welt-ETFs wie dem FTSE All World, der auch Schwellenländer wie China und Indien umfasst, macht der US-Anteil noch immer rund 61 Prozent aus. Die Frage, die sich viele Anleger stellen: Entsteht durch diese Dominanz der US-Werte ein Klumpenrisiko, und wie wirkt sich das auf das Portfolio aus?

Die US-Dominanz: Ein Marktmechanismus

Bevor man sich der Frage des Klumpenrisikos nähert, lohnt es sich, den Hintergrund dieser US-Lastigkeit zu beleuchten. Die Zusammensetzung globaler Aktienindizes wie des MSCI World oder des FTSE All World erfolgt nach der sogenannten Marktkapitalisierung. Das bedeutet, je höher der Börsenwert eines Unternehmens, desto größer ist dessen Anteil am Index. Derzeit sind die wertvollsten Unternehmen der Welt in den USA ansässig, was zu dieser starken Gewichtung der USA führt. Unter den zehn größten Positionen im FTSE All World befindet sich derzeit nur eine Nicht-US-Aktie – der taiwanesische Chiphersteller TSMC.

US-Unternehmen: Mehr als nur national agierende Konzerne

Auf den ersten Blick könnte die starke Gewichtung von US-Unternehmen ein Ungleichgewicht suggerieren, doch es gibt zwei wesentliche Aspekte, die diese Befürchtungen relativieren.

  1. Der US-Kapitalmarkt zieht internationale Unternehmen an: Viele Unternehmen, auch solche aus Europa, ziehen es vor, ihre Aktien an amerikanischen Börsen zu listen. Ein prominentes Beispiel ist Linde (Kerngeschäft des Unternehmens ist die Herstellung und Gewinnung von Gasen), ehemals ein Schwergewicht im deutschen Dax, das mittlerweile in den USA gehandelt wird. Auch Biontech, das Mainzer Unternehmen, das mit seinem Covid-19-Impfstoff weltweit bekannt wurde, ist primär an der US-Börse Nasdaq gelistet. Solche Fälle verdeutlichen, dass der US-Markt oft als Zentrum der globalen Kapitalströme dient und Unternehmen aus der ganzen Welt anzieht, wodurch der Eindruck einer rein US-amerikanischen Dominanz verzerrt wird.
  2. US-Konzerne sind globale Akteure: Die meisten großen US-Unternehmen erwirtschaften ihre Umsätze nicht nur in den USA, sondern weltweit. Apple, der größte Konzern im MSCI World, erzielte im ersten Quartal 2024 mehr als die Hälfte seiner Umsätze außerhalb der USA, insbesondere in Europa, China und Japan. Dies bedeutet, dass selbst eine Rezession in den USA nicht zwangsläufig zu drastischen Einbußen bei solchen Unternehmen führt, da sie ihre Erlöse global diversifizieren. Ähnliches gilt für andere US-Giganten wie Microsoft oder Alphabet (Google), die ebenfalls stark international ausgerichtet sind.

Risiken durch US-Konzentration?

Die hohe Gewichtung der USA in globalen Indizes mag auf den ersten Blick als Klumpenrisiko erscheinen, doch die Realität ist komplexer. Es stimmt, dass eine starke Abhängigkeit von einem Land potenziell Risiken birgt – etwa bei politischen oder wirtschaftlichen Krisen. Aber durch die globale Ausrichtung vieler US-Unternehmen wird dieses Risiko deutlich abgemildert. Sollten Sie dennoch das Gefühl haben, dass die US-Dominanz zu stark ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten, dieses Gewicht in Ihrem Portfolio anzupassen.

Strategien zur Reduzierung der US-Gewichtung im Portfolio

Wenn Sie die US-Lastigkeit in Ihrem Depot als Risiko empfinden, können Sie gezielt Maßnahmen ergreifen, um eine breitere Streuung zu erreichen und Ihr Portfolio globaler aufzustellen. Eine Option wäre es, Ihr Portfolio anhand der Wirtschaftsleistung der verschiedenen Weltregionen auszurichten.

  1. Weltwirtschaftliche Gewichtung: Die USA machen etwa ein Viertel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Eine entsprechend angepasste Allokation könnte also bedeuten, dass von Ihren 100 Euro nur etwa 25 Euro in US-Aktien fließen, während Sie die restlichen 75 Euro auf andere Regionen verteilen. Schwellenländer wie China oder Indien sowie Europa und Japan können weitere Anteile ausmachen.
  2. Fonds ohne US-Aktien: Sie müssen nicht unbedingt in eine Vielzahl von Fonds oder ETFs investieren, um das US-Gewicht zu reduzieren. Es gibt spezielle Finanzinstrumente, die US-Unternehmen explizit ausschließen. Ein Beispiel hierfür wäre der MSCI World ex-USA, der alle weltweiten Aktien außerhalb der USA enthält. Diesen könnten Sie mit einem S&P-500-Index kombinieren, um Ihr US-Gewicht nach Belieben anzupassen. Durch die Beimischung eines Fonds mit Schwellenländern wie des MSCI Emerging Markets hätten Sie so eine annähernd vollständige globale Abdeckung ohne eine übermäßige Konzentration auf den US-Markt.

Umsetzung und Überwachung

Unabhängig von der gewählten Strategie sind folgende Schritte wichtig:

  1. Regelmäßige Überprüfung: Analysieren Sie Ihr Portfolio mindestens jährlich, um sicherzustellen, dass die gewünschte geografische Verteilung beibehalten wird.
  2.  Rebalancing: Passen Sie die Gewichtungen an, wenn sie sich durch unterschiedliche Performancebeiträge verschoben haben.
  3. Kostenbeachtung: Berücksichtigen Sie die Gesamtkosten Ihrer Strategie, einschließlich Gebühren und eventueller Transaktionskosten beim Rebalancing.
  4. Steuerliche Aspekte: Informieren Sie sich über die steuerlichen Implikationen Ihrer Strategie, insbesondere bei der Verwendung von Fonds aus verschiedenen Ländern.
  5. Flexibilität bewahren: Bleiben Sie offen für Anpassungen Ihrer Strategie, wenn sich fundamentale wirtschaftliche oder marktbezogene Bedingungen ändern.

Fazit: Risiko oder Chance?

Die starke US-Gewichtung in globalen Indizes ist nicht unbedingt ein Problem, sondern vielmehr ein Spiegelbild der aktuellen globalen Wirtschaftslage. Die wertvollsten und einflussreichsten Unternehmen kommen derzeit aus den USA, doch diese agieren längst nicht nur national, sondern global. Solange Sie sich dieser Mechanismen bewusst sind und bei Bedarf Anpassungen vornehmen, bietet die US-Dominanz eher eine Chance als ein Risiko.