Erst kürzlich stieß ich auf das Buch von J. D. Vance, dem US-Vizepräsidentschaftskandidaten: Hillbilly-Elegie: Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise. Olaf Scholz lobte das Buch, während Hillary Clinton es etwas kritischer beurteilte. Trotz der unterschiedlichen Meinungen konnte ich beim Lesen viele Parallelen zu unserer eigenen Gesellschaft ziehen. Besonders eindrucksvoll fand ich die Schilderung des geplatzten amerikanischen Traums, der sich in vielen Aspekten auch in Österreich widerspiegelt – nicht zuletzt in der wachsenden Zahl von Menschen, die den Traum vom Eigenheim an den Nagel hängen müssen. Dabei sehnt sich eine Mehrheit der Menschen nach wie vor nach einem Leben in den eigenen vier Wänden. Insbesondere Ein- und Zweifamilienhäuser mit Garten gelten als ideale Wohnumgebung und Rückzugsort für die Familie. Gleichzeitig dienen diese Immobilien der Altersvorsorge und bieten in Zeiten hoher Inflation auch einen gewissen Schutz gegen die Geldentwertung. Dennoch gehen die Baufertigstellungen seit Jahrzehnten zurück. Während in den 1970er-Jahren jährlich rund 25.916 Einfamilienhäuser pro Jahr fertiggestellt wurden, blieb der Wert in den folgenden Jahrzehnten konstant dahinter, und auch die jüngsten Zahlen zeigen, dass dies in den kommenden Jahren nicht mehr zu erreichen sein wird. Der Bestand an Eigenheimen nimmt trotz Wohnungsnot inzwischen wegen Abrisses und Rückbaus kaum noch zu.
Die Entwicklung hat mehrere Gründe: In vielen Städten gibt es wegen der anhaltenden Verstädterung kaum noch Flächen, der Neubau ist aufgrund steigender Materialkosten sowie höherer Löhne sehr kostspielig, und der allgemeine Zinsanstieg im Kampf gegen die Inflation hat auch die Bauzinsen in die Höhe getrieben. Zugleich gilt das Eigenheim im Vergleich mit Mehrfamilienhäusern in Zeiten des Klimawandels oftmals als unangemessen und prominente Politiker prangern immer wieder den hohen Flächenverbrauch an, der ebenso Einfamilienhäusern geschuldet ist.
Tiefpunkt während der Finanzkrise
In den 1970er-Jahren wurden zwischen Bodensee und Neusiedler See pro Jahr durchschnittlich noch bis zu 25.916 Eigenheime, also Ein- und Zweifamilienhäuser, fertiggestellt, seitdem ist der Trend tendenziell rückläufig (um mehr als 30 Prozent, bei steigenden Bevölkerungszahlen). Das verwundert, denn in Österreich ist der Eigenheimbesitz im europäischen Vergleich bereits unterdurchschnittlich ausgeprägt. Laut dem EU-Report “Housing in Europe” liegt Österreich mit einer Eigentumsquote von 55,2 Prozent unter dem EU-Durchschnitt von 69,1 Prozent. Nur Deutschland und die Schweiz weisen noch niedrigere Werte auf. In Rumänien, der Slowakei, Kroatien und Ungarn liegt der Wert über 90 Prozent.
Gleichzeitig träumen in Österreich laut Umfragen gut 64 Prozent der Mieter von den eigenen vier Wänden, 45 bis 55 Prozent wünschen sich ein freistehendes Einfamilienhaus. Einfamilienhäuser verkörpern nicht nur einen sicheren Hafen für Familien, sondern fungieren gleichzeitig als wertbeständige Investition für den Ruhestand und bieten einen natürlichen Schutz gegen die schleichende Geldentwertung. Der Traum vom Eigenheim gerät allerdings zunehmend ins Wanken, und die Gründe dafür sind vielschichtig. Ein zentraler Faktor ist die bemerkenswerte Preisentwicklung am Immobilienmarkt. Laut Daten der Statistik Austria hat sich der Wert von Wohnimmobilien seit dem Jahr 2010 in vielen Fällen nahezu verdoppelt. Diese Entwicklung betrifft sowohl Ein- und Zweifamilienhäuser als auch Eigentumswohnungen, wobei letztere trotz leichter Preiskorrekturen in den vergangenen zwei Jahren weiterhin auf einem historisch hohen Niveau verharren.
Parallel zu dieser Preisrallye hat sich das Zinsumfeld dramatisch verändert. Die jüngsten Zinserhöhungen der Zentralbanken, die als Reaktion auf die steigende Inflation erfolgten, haben zwar zu einer gewissen Abkühlung des überhitzten Immobilienmarkts geführt. Gleichzeitig bedeutet dieser Zinsanstieg jedoch eine erhebliche Zusatzbelastung für potenzielle Käufer. Insbesondere junge Familien, die oft nicht über substanzielle finanzielle Rücklagen verfügen, sehen sich mit einer doppelten Herausforderung konfrontiert: Sie müssen nicht nur die nach wie vor hohen Immobilienpreise stemmen, sondern auch deutlich höhere Finanzierungskosten in Kauf nehmen. Diese Kombination aus hohen Anschaffungskosten und gestiegenen Zinsen macht den Erwerb eines Eigenheims für viele zu einem scheinbar unerreichbaren Ziel.
Steigende Kosten und zunehmend Vorschriften
Zugleich wird aufgrund explodierender Kosten der Neubau immer teurer. Laut der Wirtschaftskammer Österreich gab es in den letzten Jahren den stärksten Anstieg der Baupreise seit mehr als zwei Jahrzehnten. Dazu beigetragen haben Lieferkettenprobleme während der Pandemie, steigende Rohstoffpreise, teure Energie, Mangel an Arbeitskräften und allgemein die hohe Inflation in den vergangenen zwei Jahren. Fast 75 Prozent der Baufirmen sehen fehlende Fachkräfte als Risiko für ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung. Dazu kommen in Österreich die hohen Kaufnebenkosten. Wer ein Haus oder eine Eigentumswohnung erwirbt, hat nicht nur hohe Kosten für den Notar und gegebenenfalls den Makler, sondern auch die Grunderwerbsteuer schlägt kräftig zu Buche. Diese beträgt 3,5 Prozent des Kaufpreises. Diese Kosten erhöhen das für einen Immobilienkauf nötige Eigenkapital.
Die zunehmende staatliche Intervention im Immobiliensektor löst bei vielen potenziellen Eigenheimbesitzern tiefgreifende Besorgnis aus. Ein wachsendes Geflecht an Vorschriften und Auflagen, oft als “Regulierungstsunami” bezeichnet, schafft ein Klima der Unsicherheit. Diese Entwicklung spiegelt den Trend wider, dass Regierungen verstärkt Einfluss auf die Gestaltung und Nutzung privater Wohnräume nehmen. Die Bandbreite der regulatorischen Eingriffe ist beachtlich und erstreckt sich von Vorgaben zur Energieeffizienz über Dämmstandards bis hin zu Auflagen bezüglich erneuerbarer Energien. Besonders kontrovers diskutiert wird die Möglichkeit verpflichtender Sanierungsmaßnahmen, die erhebliche finanzielle Belastungen für Hausbesitzer mit sich bringen könnten. Ein Meilenstein dieser Entwicklung ist das ambitionierte Ziel Österreichs, bis 2040 den Gebäudesektor vollständig von fossilen Brennstoffen zu entkoppeln. Diese Vorgabe impliziert eine umfassende Transformation der Heizsysteme hin zu nachhaltigen Energiequellen. Während dieses Vorhaben zweifellos ökologische Vorteile bietet, stellt es Hauseigentümer vor erhebliche technische und finanzielle Herausforderungen. Die Antizipation solcher Anforderungen beeinflusst bereits heute Kaufentscheidungen und verstärkt die Zurückhaltung auf dem Immobilienmarkt.
Weitere Trends
Bei Wohnimmobilien wurden Baugrundstücke 2023 im Schnitt um 431,14 Euro/m² und einem Plus von 5,93 Prozent verkauft. Durchschnittlicher Quadratmeterpreise beim Kauf von Eigentumswohnungen-Erstbezug liegt bei rund 3454,75 Euro/m² (plus 3,92 %), bei Reihenhäusern bei 2108,05 Euro/m² (plus 1,04 %) und bei Einfamilienhäusern bei 2384,61 Euro/m² (plus 2,57 %).
Neuste Zahlen zeigen, dass aufgrund der gestiegenen Zinsen die Häuserpreise etwas gesunken sind. Dennoch zögern viele Gemeinden bei der Schaffung neuer Bauflächen. Das liegt auch an der im Vergleich mit großen Mehrfamilienhäusern schlechteren CO2-Bilanz von Einfamilienhäusern. Dabei wird jedoch oft missachtet, dass neue Häuser einen viel niedrigeren Energieverbrauch haben als alte Gebäude. Zugleich könnte man auf dem Land, wo aufgrund der Abwanderung Häuser leerstehen, in die Sanierung des Bestands investieren. Das ändert freilich nichts daran, dass der Flächenverbrauch eines Ein- oder Zweifamilienhauses viel höher ist als jener eines großen Mehrfamilienhauses. Doch Österreich sollte genug Platz haben, um die Umsetzung aller Wohnpräferenzen zu ermöglichen.
Die kontinuierliche Urbanisierung erweist sich als signifikanter Faktor in der langfristigen Entwicklung des Wohnungsmarkts. Dieser anhaltende gesellschaftliche Wandel manifestiert sich in einer wachsenden Präferenz für urbane und suburbane Lebensräume. Die Anziehungskraft städtischer Regionen basiert auf einem komplexen Gefüge von Vorteilen, die sie ihren Bewohnern bieten. Der Tod des Eigenheims ist weder unabwendbar noch wünschenswert. Vor allem in kleineren Gemeinden dürften weiter Einfamilienhäuser gebaut werden. Schließlich bedeuten Neuzuzüger für die Gemeinden auch mehr Steuereinnahmen. Zudem ist das Platzangebot in kleinen Gemeinden noch größer, und die Baukosten sind teilweise günstiger.